Charkiw-Offensive für Russland ein Misserfolg? ISW attestiert Putin weitreichenden Fehler (2024)

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Von: Fabian Hartmann

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Mit einem Überraschungsangriff begann Russland vor rund zwei Wochen seine Großoffensive auf Charkiw. Diese könnte nun gescheitert sein. Wie geht es weiter im Oblast?

Kiew/Moskau – Die Stadt Charkiw und das umliegende Oblast sind im mehr als zwei Jahre andauernden Ukraine-Krieg eine der am härtesten umkämpften Fronten. Zuletzt stand sie im Fokus einer russischen Großoffensive, die für Wladimir Putins Truppen zunächst durch einen Überraschungsangriff recht vielversprechend begonnen hatte.

Am Samstag nun haben Expertinnen und Experten des unabhängigen US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) die russische Großoffensive auf die Region Charkiw als „Fehlschlag“ bezeichnet. Demnach ist das ISW der Ansicht, der „verfrühte Beginn der russischen Offensive“ habe den Erfolg im Süden der Region Charkiw zunichtegemacht.

Charkiw-Offensive für Russland ein Misserfolg? ISW attestiert Putin weitreichenden Fehler (1)

Laut ISW verlangsamte sich Russlands Großoffensive im Oblast Charkiw zuletzt zunehmend

In ihrem Bericht zur Bewertung der russischen Großoffensive auf Charkiw stellte das ISW fest, dass die Truppen ihre Offensive im nördlichen Gebiet Charkiw ohnehin nur mit „begrenzten Kräften“ begonnen haben. Womöglich, um das ukrainische Militär nicht mit einer übermäßigen Präsenz ihrer Streitkräfte unmittelbar auf den Plan zu rufen. Dass sie aber nun, mehr als zwei Wochen nach Beginn der Offensive, immer noch keine nennenswerten Reserven dorthin verlegen konnten, musste aber unweigerlich zu einer Verlangsamung der russischen Vorstöße in der Region führen, erklärten die Militärexpertinnen und -experten des ISW weiter. Ein womöglich schwer wiedergutzumachender Fehler für Putins Truppen.

„Das abnehmende Tempo bietet den ukrainischen Streitkräften wahrscheinlich taktische Möglichkeiten für einen Gegenangriff, obwohl sie noch keine begrenzte Gegenoffensive durchführen, die darauf abzielt, die russischen Streitkräfte vollständig aus dem nördlichen Gebiet Charkiw zu verdrängen“, heißt es in dem ISW-Bericht hierzu.

Zu Beginn ihrer Charkiw-Offensive soll die Nördliche Truppengruppierung (NGF) des russischen Militärs im Norden der Region Charkiws über rund 35.000 Soldaten verfügt haben. Ukrainischen Quellen zufolge, über die das ISW berichtete, ist das allerdings eine deutlich geringere Truppenstärke als ursprünglich von Russland angestrebt: 50.000 bis 70.000 Soldaten hatte Wladimir Putin im Norden Charkiws demnach eigentlich einsetzen wollen.

Lage in Oblast Charkiw – Großoffensive scheiterte infolge von Russlands erstem Überraschungsangriff

Zunächst gelang es den russischen NGF-Streitkräften zu Beginn ihrer Charkiw-Offensive am 10. Mai, das im Norden der Region Charkiw stationierte ukrainische Militär zu überraschen. So erzielten sie taktisch bedeutende Gewinne in Gebieten, die nach ukrainischen Angaben weniger gut verteidigt wurden. Das ukrainische State Bureau of Investigation (SBI) ließ infolgedessen verlauten, dass es eine Untersuchung zur „unzureichenden Vorbereitung der ukrainischen Verteidigung in diesem Gebiet und die Aufgabe der ukrainischen Stellungen an den Fronten von Lypky und Woltschansk“ eingeleitet habe. Insgesamt 28 Offizieren droht nun ein Urteil wegen mutmaßlichen militärischen Versagens.

In den folgenden beiden Wochen des Kriegsgeschehens an der Front im Norden Charkiws berichteten sowohl russische als auch ukrainische Quellen immer wieder, dass die ukrainischen Streitkräfte zunehmend die Initiative im Norden der Region Charkiws zurückgewinnen konnten. Im selben Zug bezeichneten sie die russischen Operationen in diesem Gebiet als defensiv.

Dennoch aber gingen sie davon aus, die russischen Streitkräfte könnten versuchen, die NGF näher an ihre eigentlich geplante Endstärke heranzuführen, bevor Putin neue offensive Operationen in dem Gebiet intensiviert.Am Freitag schließlich vermeldete der Generalstab des ukrainischen Militärs, dass die ukrainischen Streitkräfte die russischen Streitkräfte von den ukrainischen Verteidigungsanlagen im Norden der Oblast Charkiw zurückdrängen.

Selenskyj: Russische Verluste in Oblast Charkiw achtmal höher als die der Ukraine

Nun meldete sich auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezüglich Verlusten auf russischer Seite wie auch auf ukrainischer Seite in der Region Charkiw zu Wort. In einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der ukrainischen Kyiv Independent erklärte Selenskyj, die Verluste Russlands seit der Großoffensive in der Oblast Charkiw seien achtmal höher als die des ukrainischen Militärs.

In einer weiteren Videobotschaft wendet sich der ukrainische Präsident nun an führende Politikerinnen und Politiker weltweiter Verbündeter. Tag und Nacht befinde sich Charkiw im Beschuss von S-300 Raketen, die eigentlich der Raketenabwehr dienen, erklärte Selenskyj. Auch machte er darauf aufmerksam, dass sich russische Truppen aktuell in der Nähe der Grenze, rund 90 Kilometer nordwestlich von Charkiw in einer neuen Gruppe zusammenfinden.

Plant Putin eine neue Offensive in der Region Charkiw? Selenskyj mahnt in Videobotschaft

„Russland ist die einzige Quelle der Aggression und versucht ständig, den Krieg auszuweiten. Gerade jetzt, in diesen Tagen, verteidigen wir uns 60 Kilometer nordöstlich von diesem Ort gegen einen weiteren Versuch des russischen Angriffs“, erklärte Selenskyj. „Will Russland einen Dialog?“, fragt Selenskyj gegen Ende seiner Videobotschaft. „Während der Kriegsverhandlungen ist die Ukraine weltweit wohl wie kein zweites Land Zeuge von Russlands Lügen geworden. Lügen, die vor allem russische Vertuschungen zur Vorbereitung dieses Krieges waren“, betonte der ukrainische Präsident weiter. Und forderte von weltweiten Verbündeten, explizit auch von den USA und China, an der Teilnahme des geplanten Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz im Juni. (fh)

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